Freitag, 1. Februar 2019

Ein Online-Direkt-Sparkonto ist kein Zahlungskonto

RA Christian Steiner, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Rechtsabteilung, MaRisk-Compliance Beauftragter, Niedersächsische Bürgschaftsbank (NBB) GmbH

Die vorliegende Entscheidung des EuGH (C-191/17 vom 04.10.2018) betrifft die Auslegung des Begriffs „Zahlungskonto“ nach Art. 4 Nr. 14 der RL 2007/64/EG (Zahlungsdienste-RL I oder auch PSD1). Zwar wurde die PSD1 mit Wirkung zum 13.01.2018 durch Art. 114 der RL (EU) 2015/2366 (Zahlungsdienste-RL II oder auch PSD2) aufgehoben, indes wurde der Begriff samt Definition wortgleich in Art. 4 Nr. 12 PSD2 übernommen.

Hintergrund

Eine Bank aus Österreich bietet Online-Sparkonten an, auf die bzw. von denen ihre Kunden im Wege des Telebanking Einzahlungen und Abhebungen vornehmen können. Diese Überweisungen muss der jeweilige Kunde stets über ein auf ihn lautendes Referenzkonto tätigen. Hierbei muss es sich um ein Girokonto handeln, das der Kunde auch bei einer anderen Bank unterhalten kann. Das vorlegende Gericht stellt klar, dass Überträge auf das bzw. von dem Online-Sparkonto ohne Beiziehung eines Zahlungsdienstleisters möglich seien. Diese Online-Sparkonten sind täglich fällig. Die Kunden können über die darauf eingezahlten Beträge jederzeit verfügen, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Verzinsung hat. Strittig sind einige Klauseln im Sparkontenvertrag. Dem EUGH wurde folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 4 Nr. 14 der Zahlungsdienste-RL dahin auszulegen, dass auch ein Online-Sparkonto, auf das der jeweilige Kunde im Wege des Telebanking Einzahlungen auf ein auf ihn lautendes und Abhebungen von einem auf ihn lautenden Referenzkonto durchführen kann, unter den Begriff des „Zahlungskontos“ zu subsumieren ist und daher vom Anwendungsbereich der RL erfasst wird?

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH stellt fest, dass Sparkonten nicht unter den Begriff des Zahlungskontos fallen, sofern sie nicht die Möglichkeit umfassen, im Rahmen der Zahlungsvorgänge unmittelbar mit Dritten zu interagieren. Dies gelte auch dann, wenn das Sparguthaben mit täglicher Fälligkeit im Onlinebanking auf ein bzw. von einem als Referenzkonto angegebenen Girokonto des Kontoinhabers übertragen werden kann und insofern zumindest mittelbar Zahlungsvorgänge mit Dritten abgewickelt werden können. Aus der Bezeichnung als Sparkonto alleine ließen sich hingegen keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob sich bei dem jeweiligen Konto um ein Zahlungskonto handele oder nicht.

SEMINARTIPP

Praxisprobleme Kontoführung & Zahlungsverkehr, 26.06.2019, Köln

Die Möglichkeit, von einem Konto Zahlungsvorgänge an Dritte bzw. von Dritten auszuführen, ist nach Auffassung des EuGH konstitutives Merkmal des Begriffs „Zahlungskonto“ unter Anwendung der systematischen Auslegung. Denn die Richtlinie sei hinsichtlich ihres Wortlauts nicht eindeutig. Daher stellte er auf das Begriffsverständnis der Zahlungskonten-RL (RL 2014/92/EU) ab. Die dort in Art. 2 Nr. 3 enthaltene Definition des Zahlungskontos entspreche inhaltlich derjenigen aus der PSD1. Dabei sei der inhaltliche Gleichlauf der Begriffsbestimmungen auch beabsichtigt, wie sich aus Erwägungsgrund (ErwG) 14 der Zahlungskonten-RL ergebe. Demnach sollen die Begriffsbestimmungen soweit wie möglich denjenigen der PSD1 entsprechen. Bei der Schaffung der Zahlungskonten-RL wollte der europäische Gesetzgeber also den Begriff des Zahlungskontos so verstanden haben, wie er ihn auch im Rahmen der PSD1 verstanden hat.

In ErwG 12 der Zahlungskonten-RL werden Sparkonten und andere Konten mit eingeschränkten Funktionen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Zahlungskonten sollen also nur solche Konten sein, die mindestens die Einzahlung von Geldbeträgen, Abhebung von Bargeld sowie Ausführung und Empfang von Zahlungsvorgängen an Dritte und von Dritten, einschließlich der Ausführung von Überweisungen, ermöglichen.

Fazit

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Nicht nur trägt es zur Kohärenz im europäischen Recht bei, indem das Verständnis des Begriffs „Zahlungskonto“ für die Zahlungsdienste-RL mit dem Begriffsverständnis der Zahlungskonten-RL abgeglichen wird. Auch ist das Ergebnis zutreffend. Sinn und Zweck der Zahlungsdienste-RL ist insbesondere die Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsraums zur Förderung des Binnenmarktes (ErwG 1 PSD1; ErwG 5 PSD2). Durch die Steigerung des Tempos des (grenzüberschreitenden) Zahlungsverkehrs, sowie der Sicherheit und Bedarfsgerechtigkeit seiner Instrumente soll die Bestellung von Leistungen aus dem (europäischen) Ausland ohne Weiteres per Lastschrift oder Überweisung erfolgen können, sodass der Standort des Anbieters keinen Wettbewerbsnachteil mehr nach sich zieht. Es wird zudem beabsichtigt durch einen kohärenten aufsichtsrechtlichen Rahmen rechtliche Markteintrittsbarrieren zu beseitigen (RegBegr. Zahlungsdienste-UmsetzungsG BT-Drucks. 16/11613, S. 26).

Zur Verwirklichung dieses Zwecks ist die Einbeziehung von Sparkonten, welche Zahlungsvorgänge an Dritte bzw. von Dritten nicht zulassen, nicht erforderlich. Weil das vom Verbraucher bei der Durchführung von Transaktionen zu verwendende Referenzkonto ein Zahlungskonto i. S. d. Zahlungsdienste-RL darstellt, wird der Verbraucher insofern bereits geschützt.

Praxistipps/Auswirkungen auf die Praxis

  • Das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) in Deutschland dient in seiner aktuellen Fassung der Umsetzung der PSD2. Die Definition des Zahlungskontos in § 1 Nr. 17 ZAG, welche dem Wortlaut von Art. 4 Nr. 14 PSD1 bzw. Art. 4 Nr. 12 PSD2 entspricht, findet auch im Rahmen der §§ 675f  ff. BGB Anwendung.
  • Der deutsche Gesetzgeber hat zu § 1 Nr. 17 ZAG in den Gesetzgebungsmaterialien ausgeführt, dass reine Einlagenkonten per Definition keine Zahlungskonten sind (RegBegr. Zahlungsdienste-UmsetzungsG BT-Drucks. 16/11613, S. 35). So auch ausdrücklich BaFin, Merkblatt – Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz 2. a) aa), abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_111222_zag.html.
  • Zusammenfassend kann somit für das deutsche Recht festgehalten werden, dass alles beim Alten bleibt.
  1. EuGH, Urt. v. 04.10.2018 – C-191/17.


Beitragsnummer: 1113

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