Sonntag, 27. Januar 2019

Kapitaldienstfähigkeitsermittlung im Fokus

Anforderungen an die Prozesse im Kundenkreditgeschäft

Karsten Schuiling, Bankgeschäftliche Prüfungen, Deutsche Bundesbank

Während das Einlagengeschäft in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen die deutsche Kreditwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen stellt, ist das Kreditgeschäft nach wie vor ein wesentlicher Ertragsbringer. Anhaltender Wettbewerbsdruck und die Zinssituation belasten zwar die Margen, im Gegenzug führt die gute konjunkturelle Lage jedoch zu sinkenden Risikokosten. Im Kundenkreditgeschäft wie auch im Bereich der Eigenanlagen scheint somit eine höhere Risikoübernahme für viele Institute nicht nur wahrscheinlich, sondern zur Ertragsstabilisierung auch erforderlich. Die zugrunde liegenden Prozesse im Kreditgeschäft sollten dabei jedoch nicht nur unter Kosten- und Ertragsgesichtspunkten definiert werden, sondern auch Risikoaspekte angemessen berücksichtigen.

Bereits vor der Kreditvergabe hinreichende Überlegungen dahingehend anzustellen, ob der Kreditnehmer auch in der Lage ist, den ausgereichten Kredit zurückzuführen, sollten daher im ureigenen Interesse eines jeden Kreditgebers liegen. Was so einfach klingt, ist in der praktischen Umsetzung jedoch oft mit Schwierigkeiten verbunden, die bei Kreditgeschäftsprüfungen auch in entsprechende Feststellungen münden. Im Zuge von PaaR-Prüfungen führt die von der Institutseinschätzung abweichende prüferseitige Beurteilung eines Engagements im Hinblick auf eine nachhaltig nicht gegebene Kapitaldienstfähigkeit zudem dazu, dass in Höhe des Blankoanteils aufsichtliche Risikovorsorge erforderlich wird.

SEMINARTIPPS

Praxisberichte: Neue Werthaltigkeits-/PaaR-Prüfungen Kreditgeschäft, 25.03.2019, Frankfurt/Offenbach.

EWB-Fachtagung 2019, 27.–28.03.2019, Frankfurt/Offenbach.

Prüfung §18/18a KWG-Prozesse: Neue (BauFi)Kreditwürdigkeitsanalyse, 20.05.2019, Frankfurt/M.

Kreditgeschäft-Prüfungen der Bankenaufsicht, 25.–26.11.2019, Frankfurt/M.

Automatisierte EWB-Sicherheiten-Prüfung, 11.11.2019, Berlin.

EWB-Prozesse, 27.11.2019, Frankfurt/M.

Bei der Definition der Lebenshaltungskostenpauschalen für die private Haushaltsrechnung sollten Informationen und Empfehlungen von dritter Seite grundsätzlich institutsindividuell plausibilisiert und nicht ungeprüft übernommen werden, die Pauschalen sollten zudem in sich stimmig sein und eine angemessene Höhe aufweisen. Sofern eine Unterschreitung der Pauschalen in Einzelkompetenz möglich ist, sollte diese nicht in unbegrenzter Höhe vorgenommen werden dürfen. Im Rahmen eines Backtestings sollte zudem untersucht werden, ob bei Kreditvergaben mit reduzierten Haushaltspauschalen eine höhere Ausfallrate vorliegt als bei den „Standardfällen“.

Finanzierungen mit Objekt-/Projektcharakter, bspw. im Bereich der Erneuerbaren Energien, sind dadurch gekennzeichnet, dass das finanzierte Objekt die für die Rückzahlung der Finanzierung maßgeblichen Cashflows selbst erwirtschaftet, und zwar losgelöst von der jeweiligen Sicherheitensituation. Die Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit sollte sich für diese Art von Finanzierungen über die gesamte Betriebslaufzeit der finanzierten Anlage gemäß Planszenario erstrecken, um zukünftige Liquiditätsunterdeckungen bereits frühzeitig identifizieren zu können und auch zukünftige Kosten adäquat mit zu berücksichtigen. Im Zuge der Kreditweiterbearbeitung sollten die realisierten Erträge und Kosten den der Finanzierung zu Grunde liegenden Planwerten gegenübergestellt werden. Falls diese nachhaltig voneinander abweichen, kann dies eine Anpassung der Prognose für die noch ausstehenden Jahre erfordern und in der Konsequenz auch eine anlassbezogene Anpassung bzw. Neubewertung des im Ertragswertverfahren ermittelten Sicherheitenwertes erforderlich machen.

Sofern die Kapitaldienstfähigkeit in einem Bestandsengagement nicht gegeben ist, sollte unabhängig davon, ob das Kreditengagement Blankoanteile aufweist, auch die Risikoeinstufung im Rating kritisch hinterfragt werden. Ist davon auszugehen, dass es sich um eine nachhaltige Liquiditätsunterdeckung handelt, sollte eine kritische Überprüfung vorgenommen werden, inwiefern bereits ein Ausfallgrund vorliegt. Leistungsstörungen sind zwar ein Indiz für eine nicht gegebene Kapitaldienstfähigkeit, im Umkehrschluss bedeutet dies aber nicht, dass für eine (nachhaltig) nicht gegebene Kapitaldienstfähigkeit zwingend Leistungsstörungen vorliegen müssen. Auch zukünftige Entwicklungen, die heute bereits abzusehen sind und dazu führen, dass Zweifel an der ordnungsgemäßen Rückführung der Finanzierung bestehen, sind entsprechend zu berücksichtigen.

PRAXISTIPPS

  • Die in der privaten Haushaltsrechnung verwendeten Pauschalen für Lebenshaltungskosten sollten nicht ungeprüft übernommen werden.
  • Die Kapitaldienstfähigkeitsermittlung bei Objekt-/Projektfinanzierungen sollte sich über die gesamte Laufzeit der finanzierten Anlage erstrecken, zudem sind im Zuge der Kreditweiterbearbeitung die ursprünglichen Planzahlen den realisierten Erträgen und Kosten gegenüberzustellen.
  • Bei nicht gegebener Kapitaldienstfähigkeit ist grundsätzlich auch die bestehende Einstufung in der Risikoklassifizierung kritisch zu hinterfragen.

Die in diesem Aufsatz vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.




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