Freitag, 30. November 2018

Ratenzahlungsvereinbarung unter Berücksichtigung der Vorsatzanfechtung

Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, MBA, SanExpert-Rechtsanwalt, Bottrop.

I. Einleitung

Die Rechtsprechung des BGH hat die Wirkungen einer Ratenzahlung bereits eingeschränkt, da diese allein als Beweisanzeichen für die Vermutung der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht mehr ausreicht und nahm damit die Änderungen des Anfechtungsrechts durch seine letzten Entscheidungen z. T. vorweg.

II. Grundsätze der Vorsatzanfechtung § 133 InsO

1. Rechtshandlung des Schuldners

In dem Urt. v. 09.07.2009 – Az.: IX ZR 86/08 stellte der BGH[1] fest, dass der Begriff der Rechtshandlung weit auszulegen sei[2]. Zu den Rechtshandlungen zählen daher nicht nur Willenserklärungen als Bestandteil von Rechtsgeschäften aller Art und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, sondern auch Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkungen beimisst[3].

Eine vom Anfechtungsgegner durch Zwangsvollstreckung bewirkte Vermögensverlagerung kann nur dann auch als Rechtshandlung des Schuldners gewertet werden, wenn der Schuldner einen Beitrag zum Erfolg der Zwangsvollstreckung geleistet hat, der ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers vergleichbares Gewicht hat[4].

Die vom Anfechtungsgegner durch eine Vollstreckungsmaßnahme bewirkte Vermögensverlagerung gilt nicht zugleich als Rechtshandlung des Schuldners, wenn sich der Schuldner angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten berechtigten Vollstreckung nicht anders verhält als ohne die Vollstreckung und sich damit darauf beschränkt, die Vollstreckung des Gläubigers hinzunehmen[5].

2. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners

Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt regelmäßig vor, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger gewollt oder als mutmaßliche Folge erkannt und billigend in Kauf genommen hat[6]. Der zahlungsunfähige Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt regelmäßig mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er einzelne Gläubiger befriedigt[7].

Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar[8]. Das BGHUrt. v. 05.12.2013 – Az.: IX ZR 93/11 stellte klar, dass auch die gestundete oder nicht ernsthaft eingeforderte Forderung oder die im Prognosezeitraum mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fällig werdende Forderung einzubeziehen ist. Dies gilt auch für den Fall, dass der Schuldner noch zahlungsfähig ist, aber z. B. durch den Wegfall öffentlicher Förderung das Geschäftsmodell zusammenbrechen wird[9].

Die Zahlungsunfähigkeit solle durch eine stichtagsbezogene Liquiditätsbilanz festgestellt werden. Dies gilt nicht, wenn eine Zahlungseinstellung die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet[10]. Der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit kann somit nach BGHUrt. v. 30.06.2011 – Az.: IX ZR 134/10 und BGHUrt. v. 08.01.2015 – Az.: IX ZR 203/12 durch Vorliegen einer Zahlungseinstellung erfolgen. Die Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dieser Eindruck muss sich den beteiligten Verkehrskreisen aufdrängen[11]. Bestanden im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht beglichen wurden, ist von Zahlungseinstellung auszugehen[12].

In der Praxis erfolgt der Nachweis der Zahlungseinstellung durch den Insolvenzverwalter regelmäßig durch den pauschalen Vortrag von Indizien/Beweisanzeichen, die die Zahlungseinstellung und den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners darlegen sollen. Diese Verfahrensweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH. Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung[13] entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es nicht einer darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens zehn Prozent[14].

Die Beweislast für den Nachweis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit obliegt dem Insolvenzverwalter.

SEMINARTIPPS

Ausgewählte BGH-Urteile für die Sanierung und Insolvenz, 01.04.2019, Köln.

Eingehende Pfändungen, 27.06.2019, Köln.


3. Ratenzahlungsvereinbarung als Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit?

Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Diese ist nur dann ein Indiz, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten (anders) nicht begleichen zu können[15]. Erklärt der Schuldner seinem Gläubiger, eine fällige Zahlung nicht in einem Zug erbringen und nur Ratenzahlungen leisten zu können, muss dieser allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat[16].

Die Bitte des Schuldners um Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung entspricht nicht den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, wenn sie nach mehrmaligen fruchtlosen Mahnungen und nicht eingehaltenen Zahlungszusagen gegenüber einem von dem Gläubiger mit dem Forderungseinzug betrauten Inkassounternehmen geäußert wird[17].

4. Kenntnis des Anfechtungsgegners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit

Kommt der Richter zu dem Schluss, dass Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit vorlag, indiziert sie – nach dem BGH-Urt. v. 20.11.2008 – Az.: IX ZR 188/07 – die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners[18]. Ausreichend ist dafür die Kenntnis von tatsächlichen Umständen, aus denen bei zutreffender Beurteilung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt[19].

Die Widerlegung durch Kreditinstitute ist problematisch da: U. a. aufsichtsrechtliche Verpflichtung zur Einholung/Prüfung Jahresabschlüsse – ggf. vereinbarte vierteljährliche/ monatliche Vorlage der BWA – Kenntnis von Pfändungen und Lastschriftrückgaben.

Inwieweit indizieren eigene Handlungen des Kreditinstituts die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit? Nicht ausreichend ist dafür die Geltendmachung des allgemeinen Nachbesicherungsrechts in den AGB, da die Geltendmachung eines Nachbesicherungsrechtes noch nicht zwingend auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit schließen lässt[20]. Die Mahnung und eine damit verbundene Klageandrohung reichen alleine ebenfalls nicht aus, um die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu indizieren[21]. In dem Urt. v. 01.06.2017, Az.: IX ZR 48/15 verlangt der BGH Kenntnis des Anfechtungsgegners davon, dass die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung auch auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruhte.

5. Bewertung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit aus dem Jahr 2017

§ 133 Abs. 3 InsO erfasst nur kongruente Deckungshandlungen und soll eine Neuregelung der Beweislast darstellen. Dabei handelt es sich um keine Neuregelung des Nachweises vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern nur der Kenntnis des Anfechtungsgegners.

Die Vermutung der Kenntnis des Gegners vom Benachteiligungsvorsatz kann nur noch auf die Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gestützt werden. Dies aber nur dann, wenn eine kongruente Deckung vorliegt. Es verbleibt damit auch weiterhin bei der Abgrenzung nach kongruenter und inkongruenter Deckung. Da die Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO weiterhin die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet, kommt es zu keiner Veränderung, wenn der Verwalter die Zahlungsunfähigkeit über § 17 Abs. 2 S. 2 InsO begründet.

Nach neuerer Rechtsprechung konnte auch bislang nicht allein aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung auf die Zahlungsunfähigkeit und damit auf die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Es mussten weitere Umstände hinzutreten. Im Übrigen kann die Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO durch den Verwalter widerlegt werden. Das sind die gleichen Umstände wie für § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Dazu zählen nach der Regierungsbegründung die Erklärung des Schuldners, der erfolglose Zwangsvollstreckungsversuch des Anfechtungsgegners, die Nichteinhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung, die Zwangsvollstreckungen anderer Gläubiger und der Neuaufbau weiterer Verbindlichkeiten.

Die Neureglung des § 142 zum Bargeschäft setzt erkannte Unlauterkeit voraus. Dies setzt mehr voraus als das Bewusstsein, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können. Allein die erkannte Verlustträchtigkeit der Fortführung dürfte nicht ausreichend sein.

III. Fazit

Die gesetzliche Neuregelung zur Beseitigung der Indizwirkung der Ratenzahlungsvereinbarung ist wenig zielführend, denn das Gesetz gibt dem Verwalter ohnehin die Beweis- und Darlegungslast für die Kenntnis von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit.

  1. BGH vom 09.07.2009 – Az.: IX ZR 86/08.
  2. BGH, ZInsO 2009 S. 1.585 ff. (1.586).
  3. Kirchhof, in: MünchKomm-InsO, § 129 Rdnr. 7.
  4. BGH vom 01.06.2017 – Az.: IX ZR 48/15.
  5. BGH vom 22.06.2017 – Az.: IX ZR 114/14.
  6. BGH vom 10.07.2014 – Az.: IX ZR 287/13.
  7. BGH, ZInsO 2013 S. 190 ff.
  8. BGH, ZInsO 2014 S. 1.326 ff.
  9. BGH vom 21.01.2016 – Az.: IX ZR 84/13.
  10. BGH, ZInsO 2011 S. 1.410; BGH, ZInsO 2015 S. 396.
  11. BGH, ZInsO 2007 S. 816.
  12. BGH v. 12.10.2006 – Az.: IX ZR 228/03.
  13. BGH v. 13.04.2006 – IX ZB 118/04, WM 2006 S. 1.215, Rn. 14; BGH-Urt. v. 13.06.2006 – IX ZB 238/05, WM 2006 S. 1.631, Rn. 6.
  14. BGH, ZInsO 2011 S. 1.410.
  15. BGH v. 16.04.2015 – Az.: IX ZR 6/14.
  16. BGH v. 14.07.2016 – Az.: IX ZR 188/15.
  17. BGH v. 24.09.2015 – Az.: IX ZR 308/14; BGH v. 25.02.2016 – Az.: IX ZR 109/15.
  18. BGH, ZInsO 2009 S. 145.
  19. BGH, ZInsO 2009 S. 515.
  20. Kayser, in: MünchKomm-InsO, § 133 Rdnr. 24a.
  21. BGH, ZInsO 2013 S. 778.



Beitragsnummer: 1096

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