Dienstag, 6. Oktober 2020

Die Regelungen der BaFin FAQ´s zu den §§ 63ff. WpHG

Dauer der Aufzeichnung und Aufzeichnungspflicht bei der Kundenexploration.

Davor Brcic, Syndikusrechtsanwalt, Bereichsleiter Recht und Beauftragtenwesen, VR Bank Tübingen eG

 

Am 04.05.2018 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) die ersten grundlegenden Entscheidungen zu den “Wohlverhaltensregeln” nach §§ 63ff. WpHG. Zwischenzeitlich wurden die FAQ der BaFin einer Überarbeitung unterzogen. Die überarbeitete Fassung wurde am 09.06.2020 veröffentlicht und ist seit diesem Zeitpunkt von den Wertpapierdienstleistungsunternehmen („WpDU“) zu beachten. 

 

Die FAQ‘s der BaFin gliedern sich in neun Unterabschnitte und Regeln im Zuge von MiFID II neu aufgekommene Themenkreise wie z. B. Aufzeichnungspflichten und die Geeignetheitserklärung.

 

SEMINARTIPP

5. Berliner Compliance-Tagung, 16.–17.11.2020, Berlin.

 

Seit der Umsetzung der MiFID II Regelungen im Jahr 2018 ragen in der täglichen Bankpraxis besonders die gesetzlichen Regelungen zu den telefonischen Aufzeichnungspflichten, dem sog. „Taping“ hervor und sorgen nach wie vor für erhebliche Unsicherheiten in der täglichen Praxis bei den Mitarbeitern der einzelnen Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

 

Ein Blick auf das „Modul B“ der BaFin FAQ kann helfen, einzelne Unsicherheiten in der Bankpraxis zu beseitigen. 

 

Ist die Nutzung von „Start-Knöpfen“, „Stopp-Knöpfen“ oder „Pause-Knöpfen“ im Rahmen einer Aufzeichnung zulässig?

 

Die BaFin stellt hierzu fest, dass wenn über den jeweiligen Kommunikationsweg, z. B. das Telefon, ausschließlich Wertpapierdienstleistungen angeboten werden, besteht die Aufzeichnungspflicht von Beginn des Gesprächs bis zum Ende desselben. An dieser Stelle verweisen die FAQ der BaFin auf den ESMA Q&A, ESMA 35-43-349, Abschnitt 3, Frage 8, die eine inhaltsgleiche Regelung zu den BaFin FAQ enthalten. 

 

Zulässig ist es jedoch nach den FAQ, die Aufzeichnung des Gesprächs zu beenden, wenn die Erbringung der Wertpapierdienstleistung erkennbar und endgültig abgeschlossen ist („Stopp-Knopf“). Wann dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Es empfiehlt sich an dieser Stelle jedoch für den das Telefongespräch führenden Mitarbeiter einen klarstellenden Satz aufzuzeichnen, der sichtlich das Ende bzw. die Überleitung des Gesprächs in einen nicht aufzeichnungspflichtigen Teil kennzeichnet

 

Werden über das Telefon auch nicht MiFID II relevante Wertpapierdienstleistungen angeboten, besteht nach den BaFin FAQ eine Aufzeichnungspflicht zumindest ab dem Zeitpunkt, in dem das Gespräch in eine MiFID II relevante Beratung über Wertpapierdienstleistungen übergeht („Start-Knopf“). In der Praxis sind hier Fälle denkbar, in denen der Kunde beispielsweise spontan eine Frage stellt, deren Antwort eine Empfehlung Mitarbeiters zur Folge hat (z. B. der Kunde möchte im Rahmen einer telefonischen Terminvereinbarung wissen, ob es Sinn macht, ein Finanzinstrument zu verkaufen oder nicht).

 

BUCHTIPP

Daumann/Leicht (Hrsg.): Arbeitsbuch WpHG-Compliance, 2019.

 

Stets unzulässig ist die Unterbrechung einer begonnenen Aufzeichnung, mithin die Verwendung eines „Pause-Knopfs“, um etwaige nicht aufzeichnungspflichtige Teile des Gesprächs auszublenden. 

 

Aufzeichnungspflicht der Kundenexploration?

 

Die Kundenexploration umfasst nach § 64 Abs. 3 WpHG Informationen des Kunden zu dessen Anlagenzielen und Risikobereitschaft, Risikotragfähigkeit sowie dessen Kenntnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten. Hierzu zählen nach den BaFin FAQ auch situativ geäußerte, für die jeweilige Wertpapierdienstleistung relevante Informationen des Kunden. Diese Informationen können sehr vielfältig sein, wie beispielsweise der Hinweis des Kunden, eine Präferenz oder Ablehnung hinsichtlich Finanzinstrumenten zu haben, die in einer bestimmten Region investieren. 

 

Wie aus Art. 16 Abs. 7, Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) folgt, sind auch solche Telefongespräche und elektronische Kommunikationen aufzuzeichnen, die die Erbringung der Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, erst veranlassen sollen. Folglich ist die Kundenexploration als Teil der Dienstleistung, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen bezieht, grundsätzlich aufzeichnungspflichtig

 

Eine Aufzeichnungspflicht besteht jedoch nicht bei Telefongesprächen/elektronischer Kommunikation, die ausschließlich den Zweck hat, die Kundenangaben zu erheben oder zu aktualisieren. In der Praxis sollten WpDU an dieser Stelle jedoch vorsichtig agieren, da die BaFin zugleich klarstellt, dass eine Aufzeichnungspflicht auch in diesen Fällen zumindest dann besteht, wenn zum Zeitpunkt der Kundenexploration bereits absehbar ist, dass im selben Gespräche zugleich eine Wertpapierdienstleistung erbracht werden wird, die sich auf die Annahme, Ausführung oder Übermittlung von Aufträgen bezieht. In der Praxis können die Grenzen hier sehr fließend sein, so dass es sich grundsätzlich anempfiehlt auch diejenigen Gespräche aufzuzeichnen, die lediglich den Zweck haben Kundenangaben zu erheben, da den Mitarbeitern die Unterscheidung wann in derartigen Fällen aufzuzeichnen ist oder nicht, sehr schwerfallen dürfte. 

 

PRAXISTIPPS

  • Stellen Sie insbesondere durch Schulungen sicher, dass Mitarbeiter in der Anlageberatung wissen, ab welchem Zeitpunkt aufzuzeichnen ist, und dass eine Aufzeichnungspflicht auch im Rahmen einer sog. Kundenexploration bestehen kann. 
  • Zudem sollte sichergestellt sein, dass im Rahmen aufzeichnungspflichtigen Telefongesprächen für Mitarbeiter in der Anlageberatung keine Möglichkeit besteht, einen sog. „Pause-Knopf“ zu betätigen. 

 


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