Mittwoch, 16. September 2020

Marktübliche Zinsen eines grundpfandrechtlich besicherten Darlehen

Zur Darlehensgewährung zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge üblichen Bedingungen.

Olaf Sachner, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Die zuletzt in § 503 Abs. 1 BGB a.F. enthaltene Legaldefinition von Immobiliardarlehens­verträgen machte neben der grundpfandrechtlichen Besicherung zur Bedingung, dass das Darlehen zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehensverträge üblichen Bedingungen gewährt wird. Für die Frage, ob das der Fall ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend auf die Zinshöhe an. Zur Feststellung konnte früher auf die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesene Bundesbank-Statistik "Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke" zurückgegriffen werden, welche eine Streubreite mit einer Unter- und Obergrenze auswies. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist von der Marktüblichkeit der vereinbarten Zinsen auszugehen, wenn sie innerhalb dieser Streubreite oder nur geringfügig bis zu einem Prozentpunkt darüber liegen (BGH, Urt. v. 18.12.2007 - XI ZR 324/06). Liegen die Zinsen mehr als ein Prozent über der oberen Streubreitengrenze für vergleichbare Kredite, bedarf es einer genaueren Prüfung der Marktüblichkeit unter Berücksichtigung der vereinbarten Bedingungen im Einzelfall, ggf. unter Heranziehung geeigneter Beweismittel (BGH aaO m.w.N.).

 

SEMINARTIPPS

Aktuelle Rechtsfragen rund um die Baufinanzierung, 23.11.2020, Frankfurt/M.

Aktuelle Praxisfragen Immobiliar-Verbraucherkredite, 28.04.2021, Frankfurt/M.

 

Seit dem Jahr 2003 weist die MFI-Statistik der Deutschen Bundesbank nur noch einen festen Durchschnittszins und nicht mehr – wie die frühere Bundesbank-Statistik "Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke" – eine Streubreite mit einer Unter- und Obergrenze aus. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, den seitens des Bundesgerichtshofs angenommenen Zuschlag von einem Prozentpunkt noch angemessen zu erhöhen (offengelassen in BGH, Urt. v. 19.01.2016 - XI ZR 103/15 - Tz 18).

 

BUCHTIPP

Nobbe (Hrsg.): Kommentar zum Kreditrecht 3. Aufl. 2018.

 

Weitgehend unbekannt ist indes, dass die Deutsche Bundesbank auf Nachfrage weiterhin Angaben zur Streubreite machen kann. In einem durch das Brandenburgische Oberlandes­gericht mit Urteil vom 26.06.2020 (4 U 147/17) entschiedenen Rechtsstreit war zwischen den Parteien streitig, ob der effektive Jahreszins von 6,01 % eines grundpfandrechtlich besicherten, variabel verzinslichen Darlehens im Monat Juni 2006 marktüblich war. Die insoweit maßgebliche MFI-Zinsstatistik weist für Juni 2006 einen durchschnittlichen effektiven Jahreszins von 4,91 % aus. Der vertraglich vereinbarte Jahreszins lag mithin um mehr als einen Prozentpunkt (nämlich 1,1) darüber. Eine durch das Oberlandesgericht eingeholte Auskunft der Deutschen Bundesbank ergab indes, dass sich die Streubreite für Wohnungsbaukredite mit anfänglicher Zinsbindung bis zu einem Jahr oder variabler Zinsbindung im Juni 2006 in einem Rahmen von 4,062 % bis 6,1964 % bewegte. Der im Darlehensvertrag vereinbarte effektive Jahreszins lag innerhalb dieser Streubreite, weshalb das Brandenburgische Oberlandesgericht von der Marktüblichkeit des Vertragszinses ausging und eine weitere Prüfung der Markt­üblichkeit unter Berücksichtigung der vereinbarten Bedingungen im Einzelfall für entbehrlich erachtete.

 


Beitragsnummer: 10731

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