Samstag, 5. September 2020

Banken im Stresstest

Wenn Finanzinstitute in den nächsten Monaten eine Vielzahl von Krediten prüfen und Risikofälle abwickeln, kommen digitale Hilfsmittel wie Video-Livestreaming wie gerufen.

Frank Schottenheim, Director, Financial Institutions, Risikomanagement, PS Team GmbH

 

I. Banken in der Zwickmühle

Das Beratungsunternehmen Accenture kommt in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass europäische Banken davon ausgehen, „im laufenden Jahr bis zu 415 Milliarden Euro für die Deckung pandemiebedingter Kreditverluste aufbringen zu müssen“[1]. Weltweit legen die Finanzinstitute bis zu 2,4 % ihrer bestehenden Kredite zurück, um etwaige Verluste aus unbezahlten Krediten notfalls zu decken. Auf der anderen Seite befeuert die Krise die Nachfrage nach neuen Krediten und es dürfte kaum eine Lösung sein, dieses Geschäft dem Wettbewerb, Technologiekonzernen oder finanzkräftigen Unternehmen zu überlassen, die die Finanzierung ihrer Produkte und Dienstleistungen aus eigener Tasche anbieten. Markus Hamprecht, Leiter des Bereichs Financial Services, DACH, bei Accenture: „Für Banken ist es schwer, sich aus dem derzeitigen Kreditgeschäft zurückzuziehen – auch wenn es für sie verlockend erscheint. Die Nachfrage nach Krediten wird unweigerlich steigen und muss erfüllt werden.“[2]

 

II. Informierte Entscheidungen treffen

Der Erfolg steht und fällt mit der Qualität der Entscheidungen. In dieser Hinsicht sind die Banken gefordert, alle Register zu ziehen. „Volldigitale Prozesse sind nicht nur zeitgemäß, sondern in der Kreditvergabe sowohl an Unternehmen als auch an Verbraucher zwingend erforderlich, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln“, sagt Frederik Linthout, Vorstandsvorsitzender des Bankenfachverbands.[3] Das gilt nicht nur für die Antragsstrecke, sondern auch für die Bonitätsbewertung. Bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich, dass Kreditgeber bei der Analyse der Vermögens- und Liquiditätslage ihrer Kunden unbedingt die dinglichen Sicherheiten mit in den Blick nehmen müssen.

 

1. Kreditvergabe im Blindflug?

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform weist darauf hin, dass nicht primär Überschuldung, sondern Zahlungsunfähigkeit Unternehmen in die Insolvenz zwingt.[4] „Krisenanzeichen beim Zahlungsverhalten“, die auf eine „Schieflage des betroffenen Betriebs“ hindeuten, lassen sich allerdings bei der Kreditprüfung nicht unbedingt erkennen.[5] So räumen Lieferanten ihren großen Kunden immer längere Zahlungsziele ein. Damit verliert das Zahlungsverhalten als Krisenindikator an Aussagekraft und die zur Nachsichtigkeit verdammten Unternehmen gefährden die eigene Liquidität. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung mit staatlichen Krediten, Zahlungsmoratorien sowie der Aussetzung der Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, auf Zeit spielt: Wie die Situation der einzelnen Unternehmen wirklich aussieht, tritt erst zutage, wenn zurückgezahlt werden muss. Der Wert von dinglichen Sicherheiten als mitunter verlässlichere Größe sollte daher auf jeden Fall in Kreditprüfungen einbezogen werden.

 

2. Erfolgsfaktor Reaktionsgeschwindigkeit 

Wenn die staatlichen Hilfsprogramme auslaufen, bleibt den Banken nicht viel Zeit für Kreditentscheidungen, da es ums Überleben der Unternehmen geht. Markus Hamprecht: „Um ihre Strategien für das Kreditmanagement entsprechend auszurichten, benötigen die Banken eine vorausschauende und datengestützte Sicht des aktuellen Kreditrisikos, wobei die langfristige Sicht auf den Kunden im Vordergrund stehen sollte.“[6] Die Banken sind gefordert, schnell gute Entscheidungen zu treffen. Das wird dadurch erschwert, dass die Institute in den vergangenen zehn Jahren ihr Kreditmanagement personell abgebaut haben. Noch drastischer wirkt sich das am Ende der Laufzeit, bei Forderungsausfällen oder gar Insolvenzen aus. Benötigt werden Kapazitäten, die es wegen mangelnder Nachfrage der vergangenen Jahre nicht gibt. Auch an externer Unterstützung fehlt es. So bemerkt Creditreform, „dass sich in der Schönwetterperiode der Insolvenzen in der vergangenen Dekade die Insolvenzverwalter-Szene ausgedünnt hat“.[7]

 

III. Baustein Video-Livestreaming

Eine Kombination aus Einfallsreichtum, digitalen Hilfsmitteln und dem Mut, neue Wege zu gehen, ermöglicht, sicheres Neugeschäft zu generieren und Risikofälle erfolgreich abzuwickeln. Als nützlich und vielseitig erweist sich dabei die Video-App PS LiveStream. Sie dient dazu, Industrie-Objekte aus der Ferne zu begutachten. So lässt sich prüfen, ob Maschinen, Anlagen und weitere Objekte tatsächlich existieren und in welchem Zustand sie sind.

 

1. Funktioniert trotz Reisewarnung

Dazu treffen sich die autorisierten Beteiligten in einer Videokonferenz und schalten sich direkt von ihrem Arbeitsplatz aus auf die App auf. Lediglich eine Person muss mit Smartphone oder Tablet vor Ort sein, um den Anweisungen der Asset-Experten zu folgen. Diese dirigieren die Person an der Maschine oder Industrieanlage um das Objekt herum. Dabei filmen oder fotografieren sie relevante Details oder Zusammenhänge selbst und erhalten ein vollständiges Bild – ganz ohne zeitaufwendige und kostenintensive Reisen. Gerade hinsichtlich der nach wie vor unsicheren Corona-Lage bietet Video-Livestreaming eine zukunftssichere Alternative zur physischen Begutachtung vor Ort.

 

2. Dokumentation ohne Medienbrüche

Auch hinsichtlich der Dokumentation empfiehlt sich ein digitales Werkzeug im Umgang mit dinglichen Sicherheiten: Die gesamte Session inklusive Fotos, Detailaufnahmen und Videosequenzen wird aufgezeichnet. Alle Beteiligten können über die Cloud auf die Datei sowie die konsolidierten Prüfergebnisse zugreifen. Viele Medienbrüche fallen auf diese Weise weg. Die Objekte sind gut dokumentiert, womit die Prozess- und Rechtssicherheit steigt. Da sich die Termine flexibel einplanen lassen und sowohl leidiger Papierkram als auch Mehrfacherfassungen entfallen, lassen sich in der gleichen Zeit mehr Objekte begutachten. Das steigert die Wirtschaftlichkeit und senkt auf diese Weise die Kosten der Begutachtung.

 

3. Mehr Möglichkeiten in der Verwertung

Kommt es zur Verwertung der Vermögenwerte, kann der Insolvenzverwalter etwa Auktionatoren und Wertgutachter in den Informationsfluss integrieren. Vieles lässt sich zeitsparend per Videokonferenz abstimmen. Verwerter binden ihrerseits Händler und potenzielle Käufer ein, damit sich diese ein realistisches Bild machen können und sich nicht allein auf technische Daten, Vertrags- und Wartungsunterlagen verlassen müssen. Schließlich hängt der Restwert einer Maschine maßgeblich vom Zustand ab. Um diesen zu beurteilen, muss man wissen, wie das Objekt in den vergangenen Jahren bedient wurde und welchen äußeren Bedingungen es ausgesetzt war. Da die digitale Kommunikation und die damit verbundene Dokumentation Grenzen und Entfernungen überwinden, lassen sich Maschinen und Anlagen mit wenig Aufwand europaweit veräußern, ohne dass der Interessent die Katze im Sack kaufen muss.

 

IV. Kosten, Risiken und Chancen im Blick

Die Informationsgewinnung aus der Ferne und die Kommunikation per Videokonferenz tragen dazu bei, Kosten deutlich zu senken. Sie machen Banken und ihre Geschäftspartner ein Stück weit unabhängig von den Auflagen und Beschränkungen zur Pandemieeindämmung. Zugleich wächst das Wissen über und der Zugriff auf finanzierte Assets. Das hilft, Schäden abzuwenden, wenn es um die Abwicklung von Risikofällen geht. In der krisenbedingt erhöhten Nachfrage nach Krediten liegen Chancen, wenn Sicherheiten realistisch bewertet werden. Institute, die prinzipiell gesunden Unternehmen unter die Arme greifen, um die Folgen der Krise abzumildern, schaffen sich treue Kunden. Denn wer sich als Freund in der Not bewährt, wird in besseren Zeiten gerne herangezogen, wenn es darum geht, Expansionspläne mit Finanzprodukten zu unterstützen.

 

PRAXISTIPPS

  • Betrachten Sie neben den Risiken der heranrollenden Insolvenzwelle auch die Chancen, die sich aus der erhöhten Kreditnachfrage ergeben!
  • Vergessen Sie in Ihrer Risikobetrachtung die dinglichen Kreditsicherheiten nicht!
  • Erschließen Sie sich das Potenzial digitaler Anwendungen, um Kosten zu senken und Zeit zu sparen!

 


Beitragsnummer: 10573

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