Kapital- und Liquiditätsplanung im Fokus der Aufsicht
Henning Riediger, Prüfungsleiter im Referat Bankgeschäftliche Prüfungen, Deutsche Bundesbank, Hannover
In den letzten Jahren zeichnet sich eine stärkere Fokussierung der Aufsicht auf das Geschäftsmodell von Banken und Sparkassen ab. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle ist es für die Aufsicht daher von Bedeutung, Einblick in die prognostizierte Entwicklung zu bekommen bzw. die Institute sind angehalten, frühzeitig sich abzeichnende Problemlagen offen zu legen.
Anforderungen sind nicht neu – nur der Fokus ist neu
Die Themen Kapital- und Liquiditätsplanung hat natürlich nicht die Bankenaufsicht erfunden, denn diese beiden zentralen Komponenten sind seit jeher elementare Bestandteile des Managements von Banken und Sparkassen. Dem Best-Practice-Ansatz folgend hat die Aufsicht bereits ab 2010 bzw. 2012 diese Themen mit in die MaRisk integriert. Weitergehende Bedeutung erlangte die Kapitalplanung aus AT 4.1 Tz. 11 der MaRisk im Hinblick auf die steigende Bedeutung der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und als dessen Ausfluss die neuen Anforderungen der Aufsicht im Hinblick auf die Risikotragfähigkeit. Die bisher geforderte aufsichtliche und institutsinterne Sicht der Kapitalplanung wird überführt in die sog. normative Sicht der Risikotragfähigkeit. Mit einem Mindesthorizont von drei Jahren stellt sie faktisch die Nachhaltigkeitskomponente dar. Im Gegensatz dazu ist die ökonomische Sicht auf den Horizont von einem Jahr abgestellt und repräsentiert somit die aktuelle bzw. akute Kapital- bzw. Deckungsmassenanforderung.
Freiheitsgrade in der Planung sinnvoll nutzen
Beim Thema Planung sind die Institute grundsätzlich etwas freier als bei der einjährigen Risikotragfähigkeit. Dies soll nicht heißen, dass blanke Willkür herrscht, sondern dass die Auswirkungen von zeitintensiven Maßnahmen in der Planung angemessen gewürdigt werden können, während diese sonst bei der einjährigen Risikotragfähigkeit nicht ansatzfähig sind.
Dies bedeutet, dass Neuausrichtungen bzw. Schwerpunktbildungen des Geschäftsmodells sowohl in die Ertrags- als auch Risikoaktiva-Ermittlung einfließen sollen. Natürlich geht damit die Erwartung der Aufsicht einher, dass die Planungen angemessen sind und nicht nur wilde Phantasievorstellungen niedergeschrieben werden. Die Planungen müssen demzufolge auch die Personal- und Sachkapazitäten entsprechend berücksichtigen, denn die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation darf nicht in Frage gestellt werden.
SEMINARTIPPS
Sachgerechte Stresstests & adverse Szenarien in RTF- & Kapitalplanung, 13.05.2019, Köln.
Herausforderung: Verzahnung zwischen Kapital- und Liquiditätsplanung, 14.05.2019, Köln.
Übergang Going Concern-Ansatz auf neue normative RTF-Perspektive, 22.10.2019, Frankfurt/M.
Neues ICAAP- & ILAAP-Reporting, 23.10.2019, Frankfurt/M.
Die Realitätsnähe der Planung gilt selbstverständlich ebenso für den sensiblen Bereich der Liquidität. Plant das Institut gravierende Änderungen in der Refinanzierungsstruktur (z. B. erstmalige oder exzessive Nutzung von Verbriefungen), dann sollte sichergestellt sein, dass durch einen Neue-Produkte-Prozess (AT 8.1) bzw. Change-The-Bank-Prozess (AT 8.2) die erhofften Maßnahmen auch zielführend sind und entsprechend umgesetzt werden.
Planungsdaten lassen sich zum einen durch die Fortschreibung oder Analyse von Trends und zum anderen durch Expertenschätzungen erreichen. Allerdings sollten Expertenschätzungen schriftlich niedergelegt sein, damit zunächst die Geschäftsleitung sowie die Kontrolleinheiten des IKS bzw. die Interne Revision oder andere sachverständige Dritte die Überlegungen nachvollziehen können. Im Rahmen von Sonderprüfungen zum Geschäftsmodell sind wiederholt Planungsansätze aufgefallen, wo eine für das Institut seit Jahren rückläufige bzw. negative Entwicklung plötzlich ins Positive dreht, ohne dass Maßnahmen geplant oder umgesetzt sind (z. B. Vertriebsaktivitäten). Solche ungewöhnlichen Entwicklungen können nicht ausgeschlossen sein, müssen aber nachvollziehbar und plausibel begründet werden.
BUCHTIPP
Liquiditätsrisikomanagement deutscher Regionalbanken unter ganzheitlicher Betrachtung der drei Baseler Säulen, 2017
Neben den reinen Planungskomponenten, welche die Erwartung abbilden sollen, sind zusätzlich jeweils adverse Entwicklungen mit abzubilden. Diese adversen Entwicklungen müssen sich auf das Geschäftsmodell des Instituts und dessen Ausprägungen (u. a. Zinsentwicklung, Provisionen, Kreditqualität, Refinanzierungskosten, Personal und Sachaufwand) beziehen. In der Bankpraxis teilweise vorkommende adverse Szenarien sind entweder nicht zielführend (z. B. Einstellung des Geschäftsbetrieb) oder allein methodisch unzureichend (z. B. Wegfall der Verbundprivilegierung, Wegfall der Realkreditprivilegierung, erhöhter SREP-Zuschlag), da kein angemessener Bezug zum Geschäftsmodell besteht.
PRAXISTIPPS
- Dokumentieren Sie Ihre Planannahmen in einer für sachverständige Dritte nachvollziehbaren Form.
- Richten Sie die adversen Szenarien am Geschäftsmodell aus und somit auf Themen, die direkt von der Geschäftsleitung beeinflusst werden können.
- Bewerten Sie Ihre Planungsqualität in den vorangegangenen Perioden.
- Bleiben Sie realistisch.
Beitragsnummer: 1033