Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In einem Fall, in welchem mittelbar über treuhänderische Beteiligungsgesellschaften beteiligte Mitgesellschafter von der Fondgesellschaft die Preisgabe der Namen und Adressen aller weiteren treuhänderisch beteiligten Mitgesellschafter des betreffenden Fonds herausverlangten, hält der EuGH in seinem Urteil vom 12.09.2024, C-17/22 sowie 18/22 (DB 2024, 2421), zunächst fest, dass nach Art. 6 DSGVO die Weitergabe personenbezogener Daten rechtmäßig ist, wenn und soweit die betroffene Person ihre Einwilligung hierfür erteilt hat. Liegt wiederum keine solche Einwilligung vor oder wurde die Einwilligung nicht freiwillig für den bestimmten Fall erteilt, ist eine Weitergabe der Daten gleichwohl gerechtfertigt, wenn sie aus einem der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. B - F DSGVO genannten Gründen erforderlich ist (Rn. 36).
Sodann stellt der EuGH fest, dass die betroffenen Gesellschafter nicht nur keine Einwilligung dafür erteilt hatten, dass die Fondgesellschaften die sie betreffenden personenbezogenen Daten an Dritte weitergeben (Rn. 40), sondern auch, dass die betroffenen Beteiligungs- und Treuhandverträge die Weitergabe der Gesellschafterdaten sogar ausdrücklich verbieten (Rn. 45), weswegen die Datenweitergabe nicht als „für die Erfüllung eines Vertrages … erforderlich" angesehen werden könne (Rn. 47).
Hiervon ausgehend weist der EuGH sodann darauf hin, dass personenbezogene Daten nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sind, sofern nicht die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz dieser Daten erfordern, überwiegen (Rn. 48). In diesem Zusammenhang hält sodann der EuGH fest, dass eine Verarbeitung/Weitergabe personenbezogener Daten nur unter drei kumulativen Voraussetzungen rechtmäßig und möglich ist:
- Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden
- Zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und
- Drittens dürfen die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden soll, nicht überwiegen (Rn. 49).
Konkretisierend führt der EuGH sodann aus, dass weiter geprüft werden müsse, ob die Verarbeitung der Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses förderlich ist und ob die Schutzinteressen des Betroffenen im Verhältnis zu den Interessen oder Grundfreiheiten und Grundrechte der betroffenen Personen, deren Daten geschützt werden sollen, überwiegen (Rn. 51–53). Letztendlich, so der EuGH, sei es Sache des vorlegenden nationalen Gerichts zu beurteilen, ob die vorstehend aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt sind (Rn. 55).
Ungeachtet der Tatsache, dass es Sache des nationalen Gerichts ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Weitergabe der personenbezogenen Daten rechtmäßig und zulässig ist, hält der EuGH fest, dass das Interesse der herausverlangenden Gesellschafter an der Kontaktaufnahme mit ihren Mitgesellschaftern, um über den Abkauf eines Gesellschaftsanteils zu verhandeln oder um sich mit ihnen zur gemeinsamen Willensbildung im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen abzustimmen, ein berechtigtes Interesse i. S. v. Art. 6 DSGVO darstellen kann (Rn. 57). Allerdings weist der EuGH auch darauf hin, dass möglicherweise ein milderes Mittel gegenüber der Offenlegung der Kontaktdaten der Gesellschafter gegenüber ihren Mitgesellschaftern bestehen könnte. Insbesondere wäre es möglich, die entsprechenden Fondgesellschaften unmittelbar aufzufordern, die Anfragen der Gesellschafter an die betreffenden Mitgesellschafter weiterzuleiten, damit diese wiederum frei entscheiden können, ob sie zu den anfragenden Gesellschaftern Kontakt aufnehmen möchten oder ob sie es vorziehen, einer solchen Anfrage nicht nachzukommen und anonym zu bleiben (Rn. 59). Vor diesem Hintergrund sei nach Auffassung des EuGH nicht auszuschließen, dass letztere Möglichkeit, welche einen geringeren Eingriff in das Recht der betroffenen Gesellschafter auf Schutz der Vertraulichkeit ihrer personenbezogenen Daten darstellen würde, die vorzuziehende Lösung wäre (Rn. 61). Ergänzend weist der EuGH noch darauf hin, dass das nationale Gericht im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung dem Umstand besondere Bedeutung beizumessen habe, dass die jeweiligen Beteiligungs- und Treuhandverträge die Weitergabe von Gesellschafterdaten an Dritte verbieten, was dafür spricht, dass die mittelbaren Gesellschafter eines solchen Investmentfonds zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer personenbezogenen Daten vernünftigerweise nicht erwarten konnten, dass diese an Dritte, vorliegend an andere mittelbare Gesellschafter dieses Investmentfonds, weitergegeben werden. Abschließend hält der EuGH sodann fest, dass es letztendlich Aufgabe des nationalen Gerichts sein wird festzustellen, ob eine Weitergabe der personenbezogenen Daten der Mitgesellschafter rechtlich möglich ist. Insbesondere wird das nationale Gericht feststellen müssen, ob es nicht Maßnahmen gibt, die es ermöglichen, die Transparenz unter den Gesellschaftern von Personengesellschaften zu gewährleisten, und dabei den Schutz der vertraulichen personenbezogenen Daten der mittelbaren Gesellschafter von Publikumsgesellschaften weniger zu beeinträchtigen als die Pflicht, diese Daten an jeden anderen Gesellschafter weiterzugeben, der darum ersucht.
PRAXISTIPP
Nach hiesiger Auffassung kann vorstehende EuGH-Entscheidung dahingehend verstanden werden, dass die Weitergabe von Gesellschafterdaten an Mitgesellschafter gegen die DSGVO verstößt, da es offenkundig ein milderes Mittel gibt, welche die Mitgesellschafter eher wählen müssen, nämlich die entsprechenden Fondgesellschaften aufzufordern, ihre Anfragen an die betreffenden Gesellschafter weiterzuleiten, welche dann eigenständig entscheiden können, ob sie mit ihren Mitgesellschaftern Kontakt aufnehmen oder nicht.
Beitragsnummer: 22776